Der Schnadgang
Ein altwestfälischer Volksbrauch
Von Zeit zu Zeit berichten
Zeitungen, daß irgendwo in Westfalen wieder ein Schnadzug geplant ist oder schon stattgefunden hat. Zum
Verständnis der Leser muß dann eine Bedeutung des
Namens beigefügt werden, daß nämlich ein Zug um die
Grenze einer Stadt- oder Dorfmark darunter zu verstehen ist. Schon hieraus
sowie aus der Tatsache, daß die Presse darauf
aufmerksam macht ergibt sich, daß der Schnadzug aus dem Volksleben verschwunden ist und, wenn er
sich in einem Orte bis in die Gegenwart erhalten hat oder wieder aufgelebt ist,
als fremdartige Einrichtung erscheint, die heute Sinn und Bedeutung verloren
hat. Und doch gab es in den vergangenen Jahrhunderten kein Dorf und keine
Stadt, keine Markgenossenschaft, die nicht zur Wahrung ihrer Rechte die Grenzen
ihres Gebietes umritten und umschritten hätte.
Der Schnadgang
diente dem Grenzfrieden. Wenn Grenzzeichen verschwanden, wurde versucht, durch
Aussagen der alten Leute und aus den letzten Spuren die alte Schnad wiederherzustellen. In den Berichten begegnen uns
Ausdrücke wie: Ein Baum wurde "geschnadet",
d.h. es wurden Zeichen, z.B. ein Kreuz hineingeschnitten. Fehlten Bäume wurden
auch Schnadsteine gesetzt.
Die Schnad
mußte den Bauern, Bürgern und Markengenossen hüben
und drüben bekannt sein, damit diese wußten, wie weit
ihre Rechte reichten. Hierzu wurde der Schnadgang
durchgeführt.
Jungen Leuten wurde die Schnad oft recht eindringlich bekannt gemacht. Daß das Jägerhorn auf dem Schnadstein
geblasen wurde und etliche Salven aus den Flinten abgegeben wurden, damit die
Jungen sich später noch an Ort und Stelle erinnerten, war noch harmlos. Es kam
aber auch vor, daß die jungen Bauern am Schnadstein tüchtig verprügelt wurden oder an Arm und
Beinen festgehalten mit ihrem Hosenboden kräftig auf den Stein gestoßen wurden,
damit die Erinnerung an Schmerz und Grenzstein bei den weiteren Schnadgängen im Gedächtnis blieb.
Die Schnadgänge
verloren mit der Teilung der gemeinen Marken, der Verkoppelung der Grundstücke
und mit der Aufstellung des Grundsteuerkatasters ihren Zweck und ihre
Berechtigung, sie wurden überflüssig. Infolgedessen wurden sie in einer
Verfügung des preußischen Innenministeriums vom 6. Juli 1817 zwar noch
gestattet, aber nicht mehr für notwendig erklärt. Einige Jahre später wurden
sie dann gänzlich verboten.
Quelle:
Josef Lappe, "Der Schnadgang..."
auszugsweise und zusammenfassend zitiert.
Schnadelied
Es zieht hinaus der Schnadechor,
Das alte Banner wallt empor,
Die Musik spielt, die Flinte knallt,
Die Trommel tönt, das Jagdhorn schallt.
Geschart zu Fuße und zu Roß
Zieht in den Wald der ganze Troß,
Bergauf, bergab, zum Schnademal
Auf Bergeshöh, im tiefen Tal.
Trotz Sonnenschein und heißer Glut,
Trotz Windessturm und Regenflut
Zieht man die alte Schnade heut,
Wie es der Väter Brauch gebeut.
Und bei dem alten Schnadestein
Sieht man ins alte Buch hinein,
Dann genau verzeichnet steht,
Woher die rechte Schnade geht.
Wenn dann die Schnade ist
vollbracht,
Wenn nichts gelassen außer acht,
Was alter Brauch und Sitte war,
Zieht fort zum Lagerplatz die Schar.
Hier stärket man die Lebenskraft
Mit edlem Trunk vom Gestensaft,
Man leeret alle Fässer aus
Und kehrt mit Eichenlaub nach Haus.
Jetzt mit dem Banner hoch zu Roß
Rückt durch das Tor der Schnadetroß,
Und auf dem Markt mit Jubelschall
Begrüßen ihn die Bürger all.
(Aus Heimatkalender: "De Suerlänner"
1953,
Verfasser nicht bekannt.)