Schrecken der Vertreibung

Nordkirchen - Zu Fuß und mit hoch gestapelten Koffern auf Handwagen und Schlitten, mit Pferdefuhrwerken oder per Schiff flüchteten sie im bitterkalten Winter Anfang 1945 gen Westen.

 

Brücken in die Freiheit wurden vor ihren Augen in die Luft gesprengt. Viele fanden den Tod. Wer zurück blieb, vor allem Frauen und Kinder, erlebte Plünderungen, Vergewaltigungen, willkürliche Erschießungen, Hunger und Seuchen. Die Geschichte der Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten am Ende des Zweiten Weltkrieg ist eine Geschichte des Leidens und des Unrechts.

 

Leid und Unrecht

An diese Schrecken erinnerte - Roswitha Möller, stellvertretende Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen, gestern in ihrer Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Flucht und Vertreibung" in Capelle. Mehrere Dutzend Gäste begrüßten Heimatvereinsvorsitzender Erhard Huppert und Bürgermeister Friedhard Drebing zu dieser Ausstellung im Heimathaus.

 

In ihrem Vortrag zog Roswitha Möller, die aus Danzig stammt und jetzt in Münster lebt, eine historische Parallele: Im nahen Osten sei dem palästinensischen Volk ein ähnliches Unrecht geschehen wir dem deutschen Volk vor 60 Jahren. Doch anders als die Radikalen unter den Palästinensern hätten die heimatvertriebenen Deutschen auf einen friedlichen Kampf gegen die Missachtung des Völkerrechts gesetzt. Möller betonte, dass das deutsche Nachkriegsschicksal "die Menschen bis heute - oder heute wieder? - bewegt". Dies zeigten viele Filme und Veröffentlichungen und vor allem die jüngsten großen Ausstellungen in Bonn, Dortmund und Münster.

 

Der Heimatverein Nordkirchen erkannte, dass die Vertreibung nicht nur ein nationales und europäisches, sondern auch ein lokales Thema ist. Denn über 1000 Flüchtlinge und Vetriebene fanden auch in Nordkirchen, Südkirchen und Capelle eine neue Heimat. Auf diese Menschen aufmerksam zu machen, dies sei eine Herausforderung für ihn gewesen, erklärte Ludger Hanke, der für den Heimatverein diese ambitionierte Ausstellung auf die Beine gestellt hatte. Hanke dankte den Leihgebern der Exponate und den örtlichen Helfern, die ihn unterstützt haben. Sowohl von Roswitha Möller als auch von Bürgermeister Drebing erntete Möller, dessen Vorfahren aus Schlesien stammen, großes Lob für seine Arbeit.

 

Über 150 Exponate

Zu den über 150 Exponaten und 60 Bildern der Schau im Heimathaus gehören eine Fliegerbombe genauso wie das Stofftier eines vierjährigen Mädchens, Plakate, Trachten und viele Alltagsgegenstände. Film- und Tonbandaufnahmen beschäftigen sich mit der Flucht vor der Roten Armee. Außerdem liegen zehn Geschichten zum Lesen aus, verfasst von Bürgern aller drei Ortsteile der Schlossgemeinde, die vom Schicksal ihrer Vertreibung berichten. – mam

 

Montag, 24. April 2006  Quelle: Ruhr Nachrichten (Nordkirchen)